Zurück in die Heimat

Andreas Berger

Ein interessanter Freundeskreis, eine Portion Mut, Offenheit für Neues und ganz viel Spontanität – können das die Zutaten für eine Karriere sein? Es liest sich zwar nicht wie aus dem Lehrbuch, aber für Andreas Berger war das genau die richtige Mischung.

Andreas Berger, geboren 1986, ist in Virgen aufgewachsen, dort auch zur Schule gegangen und danach hatte er mit einer Lehre zum Handyverkäufer einen recht klassischen Start in das Berufsleben.

„So mit Anfang 20 ist mir Osttirol irgendwie zu klein geworden, irgendwann kennt man jeden zweiten Osttiroler. Grad, wenn man in einem beliebten Technikgeschäft arbeitet. Ich wollte auch noch etwas anderes sehen“, so Andreas.

Wegsein testen

Der erste Sprung war dann zwar geografisch nicht so weit weg, doch in einen gänzlich anderen Bereich hinein. Durch Freunde kam Andreas nach St. Anton in Vorarlberg und hat dort 2 Jahre als Schilehrer gearbeitet. Arbeiten in der Saison, interessante Menschen kennenlernen, Reisen und das Leben genießen im Sommer, so lautete damals das Motto. Nebenbei konnte er auch seine Englischkenntnisse sehr gut ausbauen.

Chancen ergreifen

Nach 2 Jahren ging es wieder zurück nach Osttirol. Allerdings war 2008 das Jahr der Wirtschaftskrise und die Jobs dementsprechend rar gesät. Auch beim AMS gab es nichts für den gelernten Fachverkäufer. Die Betreuerin dort hat dann den Vorschlag aufgebracht, auswärts arbeiten zu gehen. Zu dieser Zeit eröffnete gerade ein großes Elektrogeschäft in Wien und suchte fast 100 VerkäuferInnen. Andreas überlegte nicht lange, vereinbarte einen Vorstellungstermin für nächsten Tag, setzte sich ins Auto und fuhr nach Wien. Den Job bekam er sofort und eine kleine Wohnung in Wien war schnell gefunden. Auch gab es die Aussicht, eventuell in Osttirol in höherer Position einzusteigen, wenn das Geschäft expandiert. Mit der Karriere beim Elektrogeschäft ging es dann aber leider nicht mehr in diesem Tempo weiter.

Offen sein für Weiterbildung

Auslöser für die Idee, die Berufsreifeprüfung nachzuholen, war wieder eine Unterhaltung unter Freunden. Andreas schmunzelt: „So nebenbei habe ich auch gemerkt, dass mir das Lernen eigentlich taugt. Damals war ich Mitte 20. Ich habe auch bei meinem Arbeitgeber einige Fortbildungen besucht, aber so richtig happy bin ich nicht mehr geworden.“

Und wieder kam der nächste Anstoß aus dem Freundeskreis. Erzählungen über das Studium an der BOKU haben bei Andreas rasch Begeisterung hervorgerufen. Mit einem Selbsterhalterstipendium in der Tasche hat er die Chance ergriffen, seinem Leben nochmals eine andere Richtung zu geben. Mit dem Studium „Landschaftsplanung und Landschaftsarchitektur“ hat sich für Andreas seine Bestimmung erfüllt. Gleich nach dem Studium fand er eine Anstellung bei der Firma green4cities – und hier ist er auch noch heute beschäftigt. Bloß – durch Zufall und zum Glück – anders als damals geplant.

Manchmal passt es einfach

Auch privat hat es sehr gut gepasst. Beim Studium lernte er seine jetzige Lebensgefährtin kennen – sie stammt aus der Steiermark. Irgendwann stellte sich die Frage, wo man wirklich leben will, wo man sein „Nest bauen“ möchte. „Klar, haben wir uns auch die Steiermark überlegt. Aber es kam halt das eine zum anderen. Wir haben jedes Jahr in Osttirol Urlaub gemacht und wir haben dann von der Oma ein ganz kleines Haus übernehmen dürfen, das leer gestanden hat. Und irgendwie hat es sich fein und richtig angefühlt, die Berge, das kleine Haus, die netten Nachbarn… Zuerst hatte ich Angst, dass sich Marlies nicht so wohlfühlen würde. Aber ihr hat es gleich von Anfang an sehr gut gefallen und dann haben wir beschlossen es einfach zu probieren. Auch mein Arbeitgeber hat bei diesem Vorhaben zum Glück mitgespielt.“

Einmal beschlossen ging es bei Andreas – wie immer – sehr schnell. Das Auto wurde gepackt und das kleine Haus in Virgen wurde rasch bezogen. Und das mitten im Extremwinter mit 1,5 m hohen Schneemassen.

In diese gesamte Situation kam dann auch noch Corona und veränderte die Situation nochmals komplett. Andreas, selbst noch überrascht von dieser Entwicklung: „Zu Beginn des Umzugs nach Osttirol waren noch 14-tägige Meetings in Wien geplant. Urplötzlich war schnelles Internet die beste Investition, die ich damals machen konnte. Auf einmal war völlig egal, wo man sitzt. Früher musste man sehr oft vor Ort sein, fast alle KundInnen wollten direkte Treffen und keine online-Meetings. Das hat Corona komplett gewandelt. Und es hat uns natürlich eine ganz andere Lebensqualität beschert.“

Rückblickend betrachtet, wie wichtig war das Weggehen für dich?

Sehr wichtig. Ich möchte nichts davon missen, denn ich habe überall wertvolle Erfahrungen gemacht, die mich einen Schritt weiter brachten. Aber vor allem Wien war sehr wichtig. Wenn ich in Osttirol geblieben wäre, dann hätte ich ganz sicher keine Matura im zweiten Bildungsweg nachgeholt, denn ich war kein guter Schüler. Von einem Studium gar nicht zu reden.

Wieviel Mut hast du für deine doch recht unüblichen Schritte in deinem Leben gebraucht?

Der Lebenslauf hat sich oft einfach so ergeben. Ich habe Glück gehabt mit meinen Freunden, wo immer viel Input kam. Durch die Herumfahrerei, durch die Leute die man so kennenlernt, verliert man etwas die Angst. Weil das Schlimmste, das passieren kann, ist, dass man wieder heimkommen muss, wenn die Pläne nicht klappen. Meine Eltern haben mir immer das Gefühl gegeben, dass ich heimkommen darf, und für mich war das eine Art Airbag für den absoluten Notfall. Zum Glück habe ich diesen nie gebraucht.

Du bist jetzt doch seit fast 3 Jahren wieder hier – gibt es etwas das du vermisst?

Klar, manchmal geht uns ein bisschen das „Stadtleben“ ab, einfach in die U-Bahn steigen, irgendwo hinzufahren und z.B. ein neues vegetarisches Lokal ausprobieren, oder spontan mit einer Gruppe von Freunden zu einer Veranstaltung zu gehen.

Wir haben nur ein Auto, d.h. wir sind auf den öffentlichen Verkehr angewiesen.

Da musste ich mich erst daran gewöhnen – bzw. arbeite ich noch immer daran. Ich habe mir jetzt ein E-Bike gekauft mit einem Anhänger, damit ich zumindest auf diese Art etwas mobiler bin.

Aber ganz ehrlich, dafür kann ich mich hier nach der Arbeit aufs E-Bike schwingen und auf eine Almhütte fahren, wir haben ein riesiges Schwimmbad in der Gemeinde, ganz in der Nähe gibt es eine Boulderhalle. Im Winter sind die Loipen und die Rodelbahn vor der Haustüre. Also das sind halt auch wieder Riesenvorteile, die wir nie wieder missen möchten.

Seid ihr gekommen, um zu bleiben?

Ja, auf jeden Fall. Osttirol wird der Ort sein, wo unsere Kinder aufwachsen werden. Man kann natürlich nie „für immer“ sagen, wer weiß was in einigen Jahrzehnten ist. Aber was auch immer kommt, unser Haus in Osttirol wird immer unsere Basis bleiben.

Autorin:
Mag.a Karin Ibovnik

Fotos:
© Marlies Macher

Marlies Macher und Andreas Berger vor ihrem Haus